Verschlag, Kreuzverschlag oder Feiertagskrankheit
Der Kreuzverschlag, auch Belastungsmyopathie genannt, ist eine Muskelerkrankung, die schon seit mehreren Jahrhunderten bekannt ist. So litten früher vor allem Arbeitstiere wie zum Beispiel Grubenponys oder Zugpferde nach einem arbeitsfreien Wochenende am nächsten Arbeitstag unter diesen Muskelproblemen. Deswegen wird der Kreuzverschlag beim Pferd auch Feiertagskrankheit genannt. Weitere gängige Namen sind Nierenverschlag, Lumbago, paralytische Myoglobinurie oder aus dem englischen Sprachraum Exertional Rhabdomyolysis, Azoturie oder Tying-Up. Ähnliche Symptome ruft die Muskelstoffwechselstörung PSSM (Polysaccharid Speicher Myopathie) beim Pferd hervor. Hierbei handelt es sich um eine erblich bedingte Störung, bei der große Mengen an Polysacchariden in der Muskulatur gespeichert werden.
Kreuzverschlag zählt mit seinen verschiedenen Verlaufsformen zu den so genannten Belastungsmyopathien (Myopahtie: gr. „Muskelleiden“), d.h. die Muskelschmerzen treten während der Belastung des Pferdes auf.
Kreuzverschlag beim Pferd - Die verschiedenen Verlaufsformen
Der Kreuzverschlag lässt sich in eine akute (SER – Sporadic Exertional Rhabdomyolysis) und eine wiederkehrende, leichtere (RER – Recurrent Extertional Rhabdomyolysis) Verlaufsform unterteilen. Die akute Form wird des Weiteren in verschiedene Schweregrade eingeteilt, die unten näher beschrieben werden.
Kreuzverschlag durch die oben erwähnte Muskelstoffwechselstörung PSSM ähnelt der wiederkehrenden, leichteren Verlaufsform RER und wird in unserem Experten-Tipp "PSSM beim Pferd" beschrieben.
Verschiedene Symptome des Kreuzverschlags beim Pferd
Die Ausprägung der Symptome ist unterschiedlich und hängt vom Schweregrad des Kreuzverschlags beim Pferd und der Muskelschädigung ab:
SER: Milde Form – Tying-Up
Folgende Symptome treten bereits fünf bis zehn Minuten nach Belastungsbeginn auf:
- Unruhe,
- klammer Gang,
- verspannter Rücken,
- leichte kolikartige Symptome,
- strohgelber Harn,
- verkrampfte Haltung.
SER: Moderate Form
Bei dieser Verlaufsform zeigt das Pferd die ersten Symptome des Kreuzverschlags ca. 20 bis 30 Minuten nach Arbeitsbeginn:
- Das Pferd wird langsamer und triebiger,
- geht steif,
- bleibt plötzlich stehen,
- beginnt zu schwitzen,
- die Kruppenmuskulatur ist schmerzhaft und weist einen höheren Muskeltonus auf.
SER: Der klassische Kreuzverschlag - Paralytische Myoglobinurie
Bei der schwersten Form des Kreuzverschlags beim Pferd treten die Symptome innerhalb der ersten halben Stunde bei der Arbeit auf:
- Das Pferd bleibt plötzlich stehen,
- ist „ängstlich“,
- kann seine Hinterbeine nicht mehr koordinieren,
- zeigt kolikartige Schmerzen, die durch Muskelkrämpfe ausgelöst werden,
- setzt kaffeebraunen Harn ab,
- Rücken- und Kruppenmuskulatur schmerzen sehr stark,
- übermäßiges Schwitzen (Gefahr von Dehydration),
- weitere Symptome sind erhöhte Temperatur, gerötete Schleimhäute, Herzrasen, schnelle Atmung und fehlende Darmgeräusche.
RER – Der wiederkehrende Verschlag
Während die akute Form alle Pferderassen und Typen betreffen kann, tritt der wiederkehrende Verschlag häufig bei Rennpferden, gut trainierten Tieren und vor allem bei nervösen Pferden auf. Es scheint sich hierbei um einen genetischen Defekt zu handeln, der zu einer leichten Übererregbarkeit der Muskeln führt. Ist das Pferd nervös, so kommt es zu einem Muskelzittern und einem schnellen Freisetzen der Kohlenhydrate in der Muskulatur. Dies führt zu Muskelschäden und Symptomen eines leichten Kreuzverschlags wie zum Beispiel steifen Bewegungen, Schwitzen und mangelnder Leistungsfähigkeit. Da die Anzeichen von RER meist deutlich milder sind als bei den akuten Verlaufsformen, werden sie leicht übersehen bzw. fehlinterpretiert.
Typische Ursachen des Kreuzverschlags
Der akute Kreuzverschlag beim Pferd tritt meistens während der körperlichen Belastung nach einer Ruhephase auf; vor allem dann, wenn am Stehtag die Kraftfuttermenge und damit die Kohlenhydratzufuhr nicht reduziert wurde. Kohlenhydrate werden zu Glykogen umgewandelt und in der Muskulatur als Energiequelle angereichert. Durch die Belastung wird in kurzer Zeit viel Glykogen um- und abgebaut. Die großen Mengen können vom Stoffwechsel nicht bewältigt werden, so dass u.a. Laktat (Milchsäure) gebildet wird, welches sich in der Muskulatur ansammelt und die Muskelfasern schädigt. Dabei kommt es erst zu einem intrazellulären Ödem, später zu einer Zerstörung der Muskelzellen. Dabei wird der Muskelfarbstoff Myoglobin aus den Muskelzellen freigesetzt, was zur Farbveränderung des Harns führt. Ein weiterer Auslöser eines akuten Verschlags ist körperliche Überlastung. Wird das Pferd über seine Leistungsgrenze hinweg beansprucht, so kommt es zu Muskelschäden, welche zu einem Kreuzverschlag führen können. Diese Ursache wird häufig bei Distanz- und Vielseitigkeitspferden beobachtet.
Bei RER spielen neben zu hohen Kraftfuttermengen, Elektrolytverlusten sowie einer nicht ausreichenden Vitamin- und Mineralstoffversorgung (z.B. Vitamin E und Selen) vor allem Stress und Nervosität eine wichtige Rolle.
- INFO TO GO
- Kreuzverschlag, auch Feiertagskrankheit genannt: Der „Muskelkater“ des Pferdes tritt vor allem nach Ruhetagen mit voller Kraftfutterration auf.
- Die Symptome des Kreuzverschlags sind: Muskelschmerzen, Muskelverspannungen, steife Bewegungen, Schwitzen, verfärbter Harn. Je nach Verlaufsform fallen die Symptome schwächer oder stärker aus.
- Die richtige Prophylaxe: Kraftfutter an Ruhetagen reduzieren, ausreichend aufwärmen, schonend trainieren, Elektrolytverluste ausgleichen, Vitamin- und Mineralstoffimbalancen (v.a. Vit. E und Selen) vermeiden.
Kreuzverschlag behandeln – Was kann ich tun?
Therapie bei Kreuzverschlag - schnelles Handeln ist angesagt
Zeigt ein Pferd die oben genannten Symptome, so muss der Ritt bzw. die Trainingseinheit umgehend abgebrochen und das Pferd zurück in den Stall gebracht werden. Nun muss entsprechend behandelt werden. Um weitere Muskelschäden zu vermeiden, darf das Pferd keine weiten Strecken mehr zurücklegen. Tritt der Kreuzverschlag während eines Ausritts auf, so sollte ein Zugfahrzeug mit Hänger organisiert und das Pferd in den Stall oder die Klinik gefahren werden. Bis der Tierarzt kommt kann man das Pferd eindecken, um die schmerzende Muskulatur zu entspannen (nicht bei überhitzten Pferden!). Elektrolyte und Flüssigkeit helfen, die schädlichen Stoffe aus dem Körper zu transportieren. Der Tierarzt wird in der Regel Infusionen setzen, um die Flüssigkeits- und Elektrolytverluste durch das Schwitzen wieder auszugleichen. Des Weiteren helfen dem Pferd schmerzlindernde, entzündungshemmende und durchblutungsfördernde Medikamente, die kritische Situation zu überstehen.
Diagnose mittels Blutbild - Wie schlimm ist der Kreuzverschlag?
Mittels einer Blutprobe kann die Aktivität der Muskelenzyme Creatin-Kinase (CK) und Aspartataminotransferase (AST) gemessen und der Schweregrad des Kreuzverschlags beim Pferd bestimmt werden. Der Referenzwert für CK liegt bei < 130 U/l und für AST bei < 600 U/l. Je höher die gemessenen Werte liegen, desto schlimmer ist der Kreuzverschlag des Pferdes. Die Übergänge zwischen den Verlaufsformen sind fließend, deswegen empfehlen wir, das Blutbild mit dem behandelnden Tierarzt und dem Labor zu interpretieren.
Dauer – In schweren Fällen vergehen Wochen
In leichten Fällen ist das Pferd innerhalb weniger Stunden wieder weitestgehend fit. Leidet das Pferd unter einem schweren Kreuzverschlag, so kann sich die Genesung über mehrere Wochen hinziehen.
In der Zeit nach einem Kreuzverschlag sollte man die Muskelenzymwerte im Auge behalten; bis die Normalwerte wieder erreicht werden, können bis zu zwei Monate vergehen.
Kreuzverschlag beim Pferd vorbeugen - richtig bewegen und füttern
Schonendes, dem Leistungszustand des Pferdes angepasstes Training und eine bedarfsgerechte Fütterung sind die Basis der Kreuzverschlags-Prophylaxe.
Richtig bewegen und reiten
Ein ausreichend langes Aufwärmen von etwa 15 Minuten vor der Belastung sollte selbstverständlich sein, genauso wie die langsame Steigerung der Trainingsintensität. Seitens der Fütterung muss der Kraftfutterbedarf überprüft werden. Viele freizeitmäßig gerittene Pferde kommen mit Heu und Mineralfutter aus; sie benötigen nur wenig oder kein Kraftfutter. Steht bei Reitpferden doch ein Ruhetag an, so muss die Kraftfutterration deutlich gekürzt werden. Mit diesen einfachen Maßnahmen kann man den Muskelschmerzen beim Pferd vorbeugen.
Bei Pferden mit Neigung zu einem wiederkehrenden Verschlag (RER) spielt Ruhe eine wichtige Rolle. Gerade zu Beginn der Arbeit sollte das Pferd nicht unter Stress stehen; so kann das Glykogen in der Muskulatur langsam abgebaut werden und es kommt nicht zu der plötzlichen und schädlichen Freisetzung von Zucker. Damit sich keine größeren Glykogen-Mengen in der Muskulatur ansammeln, sollte bei Sportpferden ein Teil der Kraftfutterration auf ölhaltige Komponenten umgestellt werden. Des Weiteren hilft regelmäßige Bewegung die Glykogenspeicher zu leeren. Wenn möglich sollten Pferde mit RER zweimal täglich bewegt werden.
Fütterung bei Kreuzverschlag und vorbeugende Fütterungsmaßnahmen
Richtig füttern im akuten Fall
Leidet das Pferd unter einem akuten Verschlag, so ist das Kraftfutter umgehend zu streichen. Heu kann weiterhin problemlos gegeben werden, es liefert langsam verfügbare Energie, hält die Verdauung am Laufen und schafft die Basis für ein Elektrolytreservoir. Werden Elektrolyte nicht über eine Infusion verabreicht, so sollten dem Pferd Elektrolyte, wie zum Beispiel MASTERHORSE ELEKTROLYT-2000-PLUS, mit dem Futter angeboten werden.
Die Nieren des Pferdes müssen während eines Kreuzverschlags Höchstarbeit leisten. Das freie Myoglobin und andere Abbauprodukte können die Nieren regelrecht verstopfen und zu einem Nierenversagen führen. Hier ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr wichtig. Im Notfall geschieht dies mittels Infusionen, anschließend sollte ausreichend Wasser zur Verfügung stehen. Neben einer Selbsttränke bietet es sich an, dem Pferd einen Eimer mit Wasser zur freien Flüssigkeitsaufnahme in die Box zu hängen. Die Nierentätigkeit kann durch entwässernde Kräutermischungen mit Birkenblättern und Brennnesseln unterstützt werden. Vitamin E und Selen spielen eine wichtige Rolle im Muskelstoffwechsel des Pferdes. Im Rahmen der Therapie nach einem Kreuzverschlag ist eine Supplementierung von MASTERHORSE TRAINING über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen sinnvoll. Zur Regeneration der Nieren und Unterstützung der Nierentätigkeit eignet sich EQUIPUR- renal.
Richtig füttern - Kreuzverschlag beim Pferd vorbeugen
Kreuzverschlag beim Pferd kann durch eine falsche Fütterung begünstigt werden:
- Zu hohe Kraftfutter-Portionen,
- keine Reduktion des Kraftfutters an Ruhetagen,
- nicht ausreichende Vitamin E- und Selenversorgung,
- mangelnder Elektrolyt-Ausgleich,
- generelle Mineralstoff-Imbalancen.
Für eine „muskelschonende“ und damit vorbeugende Fütterung bedeutet dies nun:
- Ausreichend Heu (ca. 1,5 kg Heu/100 kg LG) füttern.
- Kraftfutter der Leistung anpassen, stärkereiches Getreide kann teilweise durch fetthaltige Futtermittel ersetzt werden.
- Vitamin E- und Selen-Supplementierung.
- Nach größeren Schweißverlusten, Elektrolyte dem Körper wieder zuführen.
- Ausgewogenes Mineralfutter zur optimalen Versorgung des Pferdes geben.
Bei Pferden mit RER sollte Kraftfutter weitestgehend reduziert werden. Benötigt das Pferd mehr Energie als es über Heu bekommen kann, so sind Öle kohlenhydratfreie Energiequellen. Zur Stärkung der Nerven und des Muskelstoffwechsels sind Zusatzfuttermittel mit Tryptophan und Magnesium (MASTERHORSE MAG-PRO) sowie Vitamin E und Selen (MASTERHORSE TRAINING) sinnvoll.
Durch eine bedarfsgerechte Fütterung des Pferdes, tägliche Bewegung und ein schonendes Training kann schmerzhaften Muskelerkrankungen (Kreuzverschlag) vorgebeugt werden. Wenden Sie sich im Zweifelsfall an Ihren Tierarzt oder an das Beratungsteam von MASTERHORSE.