Die Begriffe Trageerschöpfung bzw. Trageermüdung fallen in letzter Zeit immer wieder. Wie der Name schon verrät, hat das Pferd Probleme etwas zu tragen. In diesem Expertentipp gehen wir darauf ein, wie man die Probleme rechtzeitig erkennt, was man dagegen tun kann und welche Rolle die Fütterung dabei spielt.
Was ist die Trageerschöpfung beim Pferd?
Die Begriffe Trageerschöpfung und ihre Vorstufe die Trageermüdung beschreiben einen Zustand, bei dem das Pferd nicht im Gleichgewicht ist und Probleme hat sein Gewicht zu tragen. Dabei geht es nicht nur um das Reitergewicht, auch das Tragen des eigenen Rumpfes kann zur Last werden und in gesundheitlichen Problemen enden.
Ursachen für die Trageerschöpfung beim Pferd - Der schwache Rumpftrageapparat
Die Ursache einer Trageerschöpfung bzw. ihrer Vorstufe der Trageermüdung liegt darin, dass Pferde kein Schlüsselbein besitzen. Den Vordergliedmaßen fehlt somit eine knöcherne Verbindung zum restlichen Skelett. Das hat an sich viele Vorteile, denn dadurch kann das Pferd z.B. springen und die Vorderbeine fungieren als Stoßdämpfer.
Die Vorderbeine sind mit einem Konstrukt aus Muskeln, Sehnen und Bändern v.a. am Hals und der Schulter befestigt. Der Rumpf samt Brustkorb wird im optimalen Fall von der Rumpftragemuskulatur getragen und angehoben. Verkrampfen die Muskeln oder sind sie zu schwach, dann verliert dieses Gerüst an Stabilität und der Brustkorb sinkt ab. Das Pferd versucht nun auf andere Weise den Brustkorb zu stabilisieren, dadurch schwindet allerdings die Elastizität und die Stoßdämpferfunktion, was wiederum zu gesundheitlichen Problemen führen kann.
Wie erkennt man eine Trageerschöpfung beim Pferd?
Die äußeren Anzeichen einer Trageerschöpfung resultieren daher, dass das Pferd versucht den Rumpf gegen die Schwerkraft zu halten. Dies äußert sich folgendermaßen:
- die Vorderbeine stehen rückständig
- die Hinterbeine sind unter den Bauch geschoben
- Pferd steht wie eine Bergziege
- das Pferd steht nicht im Gleichgewicht
- Ellenbogen werden an den Brustkorb gepresst
- hängender Brustkorb
- ausgeprägter, nach unten gedrückter Unterhals
- Axthieb
- Rückenschmerzen, v.a. im Lendenbereich
- durchhängender Rücken
- das Becken ist blockiert und die Hinterbeine können somit nicht mehr richtig unterfußen
- lautes Auftreten, flache Gänge
- Leistung und Rittigkeit lassen nach
Ist die Trageerschöpfung eine Krankheit?
Nein, bei der Trageerschöpfung selbst handelt es sich nicht um eine Krankheit. Sie kann aber zu immensen gesundheitlichen Einschränkungen führen. Beispielsweise kann die mangelnde Stoßdämpferfunktion folgende Probleme auslösen:
- Sehnenschäden
- Arthrosen z.B. Schale und Spat
- Hufgelenksentzündungen
- Überlastung des Hufrollenapparates
Aber auch bei Atemwegsproblemen besteht die Möglichkeit, dass sie sich durch die verkrampfte Brustmuskulatur und den dadurch schlechteren Luftaustausch, verschlimmern.
Was tun bei Trageerschöpfung? Physiotherapie und Training des Pferdes
Ziel der Behandlung bzw. des Trainingskonzeptes eines trageerschöpften Pferdes muss es sein, dass es lernt seine Tragemuskulatur wieder richtig einzusetzen. So kann es sein eigenes Körpergewicht und dann auch den Reiter wieder ordnungsgemäß tragen.
Es ist besonders effektiv ein Zusammenspiel von Physiotherapie und Training am Boden bzw. unter dem Sattel anzustreben. Pferdephysiotherapeuten und -therapeutinnen können Probleme lokalisieren und die Muskulatur lockern, so kann man gezielte Übungen auswählen und mit einem effektiven Training beginnen.
Was muss man beim Training eines trageerschöpften Pferdes beachten?
- Körperwahrnehmung und Propriozeption schulen
- das Pferd muss lernen seine Muskulatur wieder richtig zu nutzen
- die Kraft stärken
- relative Aufrichtung erreichen, so dass es sich über die Hinterhand trägt
- Pferd aus dem Hohlkreuz holen
- Brustkorb anheben
- Rücken anheben
- Schultern beweglich bekommen
Wie trainiere ich ein Pferd mit Trageerschöpfung? Welche Trainingsmethoden und Übungen eignen sich?
- Balance-Pads
- Equikinetic
- Stangenarbeit
- Bodenarbeit/ Handarbeit
- Seitengänge
- Rückwärtsrichten
- Reiten im Gelände, reiten über Hügel
Wichtig: Jedes Pferd ist in seiner Problematik individuell! Das eine Pferd profitiert von Stangenarbeit, für ein anderes Pferd hingegen wäre es kontraproduktiv. Oft stellt sich auch die Frage „Kann ich ein Pferd mit Trageerschöpfung reiten? Auch das muss individuell entschieden werden. Das eine Pferd kann gleich vom Sattel aus gearbeitet werden, während man bei einem anderen Pferd wochenlang vom Boden aus trainieren muss damit es seine Muskulatur richtig nutzen kann. Deswegen: Trainingsplan mit Therapeuten und Trainern erstellen!
Pferde mit Trageerschöpfung reiten – darauf muss man achten
Unter dem Sattel müssen Reiterin und Reiter das Pferd einrahmen und stabilisieren. Korrekte Stellung und Biegung in den Wendungen verhindert, dass das Pferd schief durch die Kurve läuft und sich der Brustkorb dabei verdreht. Ansonsten gelten die oben für die Bodenarbeit erwähnten Punkte natürlich auf für das Training unter dem Sattel.
Am Beispiel „Ecken durchreiten“ lässt sich gut zeigen worauf man achten muss:
- saubere Biegung und Stellung des Pferdes dank korrektem Einrahmen des Reiters
- das Pferd darf nicht auf die innere Schulter kippen
- die Brustbein-Widerrist-Achse muss im Lot bleiben
- die äußere Schulter öffnet sich
- das Pferd stützt sich nicht auf die linke Schulter
Ziel der gerittenen Übungen muss es auch sein, dass das Pferd aus dem Hohlkreuz geholt wird, den Rücken aufwölbt und das Brustbein anhebt.
Wichtig: Rechtzeitig aufhören! Die Pferde müssen die gewünschte Übung gut und korrekt ausführen, damit der Trainingseffekt erreicht wird. Im Zweifelsfall lieber früher aufhören und bei Bedarf eine leichtere Lektion wählen.
Fütterung eines trageerschöpften Pferdes
Die Fütterung spielt nur eine kleine Rolle, wenn man sein Pferd aus der Trageerschöpfung holen möchte. Doch kann die Fütterung das Tüpfelchen auf dem „i“ im ganzen Konzept sein.
Ausschlaggebend ist eine angemessene Grundfütterung. Eine wichtige Rolle spielt hier das Heu. Wir empfehlen ausreichend, aber nicht zu viel Heu zu füttern. Zum einen um Übergewicht zu vermeiden und zum anderen, dass der „Heubauch“ nicht zu groß wird und das Pferd unnötigen Ballast tragen muss. Wir empfehlen nicht mehr als 1,5 - 2 kg Heu/ 100 kg Körpergewicht zu füttern.
Das weiteren gilt es, den Muskelstoffwechsel mit ausreichend Muskelnährstoffen zu unterstützen:
- Magnesium: für lockere Muskeln und entspannte Pferde
- Vitamin E und Selen: für den Muskelstoffwechsel
- Aminosäuren: für eine kräftige Muskulatur
- Glucosamin, Chondroitin oder neuseeländische Grünlippmuschel zur Stärkung der Gelenke
Eine Trageermüdung bzw. Trageerschöpfung beim Pferd kommt öfters vor als man vermutet. Damit keine gesundheitlichen Probleme entstehen, gilt es bei den ersten Anzeichen zu handeln und die entsprechenden Profis zu Rate zu ziehen. So bleibt das Pferd lange fit, gesund und leistungsfähig!
- INFO TO GO - Trageerschöpfung beim Pferd
- Die Trageschwäche beim Pferd wird durch eine schwache oder verspannte Rumpftragemuskulatur ausgelöst.
- Körperlichen Anzeichen sind u.a. Verspannungen der Brust- und Rückenmuskulatur und ein abgesackter Rumpf.
- Ziel des Trainings ist es, dass das Pferd seine Tragemuskulatur wieder effektiv einsetzt und den Rumpf trägt und nicht nur hält.
- Seitens der Fütterung helfen Magnesium, Vitamin E, Selen und Aminosäuren die Muskulatur zu lockern